Mittwoch, 6. Mai 2015

Erziehung

Peruanische Erziehung ist ein bisschen anders als die unsere. Auch wenn ich immer höre, dass die Erziehung  in Deutschland zur Uneigenständigkeit und „Verweichlichung“ beiträgt, so glaube ich doch, dass diese Art der peruanischen ein bisschen voraus ist.
So hart es sich anhört, was in meinen Augen die hiesige Erziehung zu großen Teilen ausmacht ist ein Mangel an Einfühlungsvermögen und ein gewisses Maß an Rücksichtslosigkeit.
So wachen Rosina und ich zum Beispiel fast jeden morgen entweder vom Geschrei unserer kleinen Gastschwester, eigentlich ist sie unsere Nichte, oder dem Gebrüll ihrer Mutter als Antwort auf. Oder vom Gejammer des Radios.
Auf jeden Fall, nach einigen Wochen, habe ich angefangen ein Muster zu erkennen.
Unsere kleine Gastschwester, 7 Jahre alt und in der zweiten Klasse, ist ein Mamakind und recht verwöhnt dazu. Wenn sie also morgens nicht ihren Tee austrinken oder sich die Haare waschen, so fängt sie an zu schreien. Als Antwort brüllt ihre zurück, dass sie jetzt sofort ihren Tee austrinken soll. Die kleine fängt an zu weinen, zu brüllen und wirft sich manchmal auf den Boden, was fast schon zu klischeehaft ist. Ihre Mutter brüllt weiter, gefolgt von der Drohung sie zu schlagen, ihr den Kopf mit kaltem Wasser zu waschen usw. Nicht sehr erfolgreiche Erziehung, direkt vor meinen Augen, in vivo.
Der Morgen geht weiter, ausgetrunkener Tee oder nicht, und irgendwann muss entweder die kleine oder unsere ältere Gastschwester gehen. Wenn die kleine geht muss ihre Mutter mitkommen, geht die Mutter zuerst muss die kleine mitkommen. Das geht so weit, das die kleine, wenn unsere ältere Schwester morgens um 3 nach Cusco fährt um Brot zu verkaufen, ebenfalls mitkommt und in der Verkaufstelle weiterschläft. Kommt sie nicht mit, fängt das Geschreie und Gebrülle wieder von vorne an. Ist Runde Nr. 2 überstanden, kann es sein, dass die kleine nicht mitgekommen ist, so schreit sie weiter. Und weiter. Und weiter.
Wo ich das Bedürftnis habe zur kleinen zu gehen und sie zu trösten kommen ihr Bruder und unsere andere Gastschwester zu den Schluss, dass es für die kleine besser ist sie anzuschreien leise zu sein und ihr den Mund zu zu halten. Was natürlich höchst effektiv ist und bestimmt nicht zu Bisswunden führt.
Ich habe das Gefühl, dass keiner der Familienangehörigen Empathie oder Mitleid empfindet, was in meinen Augen sehr schade ist.
Ein weiteres Beispiel habe ich beobachtet als eine Frau in den Bus einsteigen wollte. Sie hatte ihr Baby in einem Manta quer über den Rücken und wollte also in den Bus einsteigen und als sie die Treppen hinaufsteigt knallt der Kopf ihres Babys mit Wucht gegen den Türrahmen. Das kleine Kind fängt an zu schreien, die Mutter leckt ihr nur einmal über die Stirn, auf der sich schnell eine große Beule bildet und herrscht die kleine dann an leise zu sein und nicht zu weinen.
Ich saß nur mit offenem Mund daneben, Unverständnis ins Gesicht gepinselt.
Mit was ich als Beispiel für die Rücksichtslosigkeit ins Feld ziehe ist eine kleine Geschichte vom 19. Geburtstag unserer Gastschwester Yara.
Der Geburtstag wurde hier zuhause gefeiert, ein paar Freunde sind gekommen, jeder hat ein paar Gläschen PiscoSour bekommen, es wurde zu peruanischem Schlager getanzt, die Familie saß nebendran und hat sich betrunken. Auf jeden Fall sind Rosina und ich irgendwann zu Bett gegangen. Es haben zwei Freunde in unserem Zimmer geschlafen, kein Ding. Irgendwann zwischen 3 und 4 Uhr morgens bekommen wir Besuch in unserem Zimmer. Anahy, Yara und ein dritter Freund kommen in unser Zimmer und beginnen sich darüber zu unterhalten ob der dritte noch im Bett schlafen kann. Und zwar nicht gerade leise. Irgendwer setzt sich dann noch auf unser Bett und zerquetscht unsere Füße. Dann klingelt Anahys Telefon, sie nimmt ab und brüllt ins Telefon dass es ja wohl kein Problem sei wenn noch einer im Haus unten an der Straße schläft. Rosina und ich, natürlich immernoch Schlafsimulanten, sind vollkommen angepisst. Und diese Rücksichtslosigkeit ist nur ein Beispiel von vielen.

Und im Endeffekt übertragen sich dieses fehlen von Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen auf die Gesellschaft, nicht nur beim Autofahren oder im Schulunterricht.

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