Freitag, 31. Oktober 2014
Oktober mal kurz gefasst
Die Zeit vergeht wirklich wie im Flug. Kaum
dass man's sich versieht ist schon wieder eine Woche vorbei. Dass man dabei
viel erlebt und noch mehr lernt vergisst sich ganz schnell. Doch wo anfangs Gestotter und Handzeichen im
vordergrund standen, bin ich jetzt in der Lage, gewollt Laute von mir zu geben
die meinem gegenüber mitteilen was ich mir von ihm erhoffe. Ich kann also inzwischen mit Fug und recht
behaupten dass ich mich mit meinem spanisch auf der straße verständigen kann.
Hinzu kommen einige brocken Quechua die mir hier und da mal zugeflogen sind und
mit denen ich hier und da mal um mich werfen kann falls mich jemand auf quechua
anspricht. Es geht also voran! Sonst passiert eigentlich immer ähnliches. Nach
dem aufstehen gibt es frühstück, oben erwähnten Getreidebrei, Tee oder im
besten Fall milchreis (aber immer mit Brot), wenn ich noch ein bisschen zeit
habe lese ich oder bereite etwas vor, dann fahre ich zur Schule, versuche mal
mehr oder weniger erfolgreich den Kindern was bei zu bringen, fahre dann meist
wieder heim und ess zu mittag. Das Mittagessen besteht hier aus einem Mix aus
Kartoffeln Reis Nudeln und Gemüse. Diese 4 Dinge kommen in allen Variationen
vor, aber ein bisschen nach Abwechslung sehne ich mich doch. Nachmittags kann
viel passieren! Entweder es gibt in der Familie etwas zu tun, z.B. eine Rinne
für eine stromleitung in die Erde zu hauen oder auf dem Feld helfen, wir
treffen uns alle, bereiten Dinge vor, fahren nach Cusco oder hängen auch mal
nur rum. Tatsächlich fehlt mir hier am meisten der sport. Ich habe mir aber in
Cusco ein Sportcenter gesucht und werde dort 2 mal die woche hin fahren um mich
dort körperlich zu betätigen. Das kostet natürlich auch einiges. Zum Thema
Geld: wir bekommen ja von unserem „Arbeitgeber“ ja ein Taschengeld, doch leider
geht das großteils für Busfahrten zu den Schulen, trinkwasser,
unterrichtsmaterialien und Toilettenpapier drauf. Aber so ist das eben.
Zu oben genannten Nachmittagsaktivitäten kann
ich hier erzählen, dass Rosina und ich letztens zusammen mit unserer Gastmutter
und Tante auf einem unserer Chakras (quech.: Feld) waren und mitgeholfen haben
Pasto (Gras) für die Cuys (Meerschweinchen) zu schneiden. Genauer gesagt war es
garnicht unser Feld sondern das unserer Tante. Oder eines anderen
Familienmitglieds. Denn unsere Gastmutter hat 6 Geschwister von denen ich
mindestens schon 3 gesehen habe. Und als wir da auf dem Feld irgendeines
Verwandten Gras geschnitten haben konnte ich nicht umhin der Familienstruktur,
bzw. der Bereitschaft jedes Einzelnen seiner Familie zu helfen, Respekt zu
zollen. Es war auch schon öfter der Fall, dass alle, ob Schwager oder Neffe,
für mich also Gastonkel und Cousins, auf einem unserer Felder gearbeitet haben
um eine Leistung zu erbringen die für eine- einzelne Familie in unserem Sinn
unmöglich wäre. Denn anders als bei uns gibt es keine Maschinen die alle Arbeit
für einen übernehmen und hier ist alles Handarbeit. Die Familienbande sind hier
also enger geknüpft als das villeicht bei manch einem bei uns in Deutschland
oder auch Europa der Fall ist da die Menschen hier einfach darauf angewiesen
sind. Die Großfamilie hilft also bei jedem Vorhaben, sei es Feldarbeit die
erledigt werden muss oder ein Haus das gebaut werden will, und das gilt
bedingungslos für jedes Familienmitglied. Damit diese Familienbande nicht nur
einen rein „negativen“ Aspekt haben wird sie auch durch häufiges fröhliches
Beisammensein kultiviert. Wird zum Beispiel ein Schwein geschlachtet wird die
gesamte Familie eingeladen, man isst, trinkt und lacht gemeinsam. Ein ganzes
Schwein könnte eine Familie (Mutter, Vater und Kinder) eh nicht verspeisen.
Diese Art von Zusammenhalt sucht man wohl in
den „modernen“ Städten Deutschlands in den meisten Fällen wohl vergeblich.
Jeder ist sein eigener Meister ohne Verpflichtungen anderen gegenüber, man muss
ja nicht einmal vor die Tür um einkaufen zu gehen. Maschinen ersetzen
menschlichen Kontakt und jeder hängt dem Wahn nach sich selbst als möglichst
individuell und bewundernswert dar zu stellen. Ich will hiermit „den Menschen
der westlichen Welt“ auf keinen Fall vorwerfen sie seien alle unsozial und
vermieden menschlichen Kontakt um jeden Preis, doch wird einem dies einfach nochmal klarer,
dass man hier auf seine Mitmenschen angewiesen ist und das Konstrukt Familie
ein ganz anderes ist als bei uns in den meisten Fällen.
Hinzu kommt, dass die ganze Großfamilie im
gleichen Dorf wohnt, die physische Nähe spielt hier also auch eine große Rolle
wohingegen bei uns jeder dort hin zieht wo die Jobaussichten am besten sind
oder man einen Partner gefunden hat.
Auf jeden Fall hatten Rosina und ich Spaß dabei
Gras zu schneiden und unsere Gastmutter mit ihrer Schwester darüber lachen zu
hören, dass hier sonst keiner seinen privaten Gringo hat der ihm sein Feld
bearbeitet.
Eine weitere Sache die mir hier aufgefallen ist
ist die Hygiene. Oder eben ihre Abwesenheit. Ich weiß ja, bei uns auf den
Schultoiletten hätte man auch nicht unbedingt den Tag verbracht, aber was hier
so auf den Toiletten in den Schulen abgeht ist echt recht gewöhnungsbedürftig.
Und ich bin ja nicht gerade zimperlich. Also es würde mich bestimmt keiner
verklagen wenn ich sage dass wirklich jede Toilette eines Nachtclubs bei uns
besser ist als die Schultoiletten hier. Und ich rede nicht von den feinen
Schickimickiclubs. Ich rede von Bahnhofsabsteigen und besetzten Häusern in
denen Parties steigen. Tatsächlich pinkelt unser größerer Gastbruder jeden
morgen von der Veranda in den Garten und ihm ist es auch egal ob ich dann
darunter durch laufe. Der kleine hat jetzt angefangen es ihm nach zu tun... Als
ob es nicht schon reicht dass die Kinder hier manchmal doch recht penetrant
ungewaschen riechen, aber wenn ich dann zu Hause ankomme und es riecht nach in
der Sonne verdampftem Urin dann verliere ich schon manchmal die Lust. Trotzdem
habe ich es ja noch mild erwischt, vergleicht man mit Jonas Familie in der mit
Pferdeäpfeln Schneeballschlacht gespielt wird. Und Gott sei Dank lebt sich das
mit dem Waschen aus, die Erwachsenen duschen scheinbar regelmäßiger. Aber hin
gepinkelt wird trotzdem überall hin. Dafür hab ich schon viele Beweise jeden
Alters gesehen. Auch spuckt unser Gastbruder gerne mal überall hin. Es ist
schon eher unangenehm überraschend auf dem Klo zu sitzen und vor sich auf dem
Boden eine Spucklache zu entdecken.
Also man kann daraus nicht allgemein
schlussfolgern, dass Erziehung hier nicht in unserem Sinne stattfindet,
besonders da man den Unterschied zwischen Stadt und Dorf in Betracht ziehen
muss, doch muss ich zugeben, dass zumindest unsere Schüler den Sinn unseres
Hierseins nicht immer ergründen können. Ich würde jetzt schon öfters gefragt ob
ich mit dem Bus hierher gefahren sei. Und Alemania (Deutschland) wurde mir
schon häufiger auf dem Südamerikanischen Kontinent angezeigt. Des weiteren sind
mir einige weiter „Ungewohntheiten“ hier aufgefallen. Zum Beispiel Schüler der
11.ten Klasse die das einkleben von Prinzessinnensticker in ihr Englischheft so
vereinnahmt , dass an Mitarbeit oder mitschreiben im Unterricht gar nicht
gedacht werden kann oder geschlagene 25 Minuten damit verbringen einen
4-Zeilentext ab zu schreiben. Oder mitten im Unterricht auf zu stehen, durchs
Klassenzimmer zu laufen und bei einem Mitschüler lautstark einen Radiergummi
oder ähnliches zu verlangen. Oder zum Mülleimer zu gehen. Oder vor zum Lehrer,
in diesem Falle zu mir, während dieser gerade etwas erklärt und ihm so lange
„Puedo ir al bano“ (darf ich aufs Klo?) vor zu jammern bis man sie anherrscht
oder nachgibt. Ihnen wenigstens die englische Version dieser Bitte bei zu
bringen klappt nach dem 20.ten Wiederholen
manchmal. Auf jeden Fall scheinen die Unterrichtsmethoden der hiesigen
Lehrer nicht sehr nachhaltig zu sein. Darauf weist hin, dass auf nachfragen was
die Schüler im letzten Jahr gelernt hätten, in 50% der Fälle nur unsicheres
Ausweichen zurück hallt. Auch hier wieder, dies ist kein absolutes Urteil, wie
immer gibt es diejenigen denen das Lernen nach Schulsystem eher liegt und die
Aufgaben schneller verarbeiten und jene denen es eher nicht liegt. Auf jeden
Fall bin ich mir sicher, dass man in Deutschland vor einem anderen Hintergrund
unterrichtet als hier. (Rosina wirft ein: „Vielleicht weil bei uns selektiert
wird.“ Sie ist sehr Anti-Deutsches-Schulsystem. Ich finds auch nich perfekt.
Dazu später mehr.) Ich weiß nicht ob ich das schon öfter wiederholt habe aber
auf mich machen „die Menschen“ (auch hier wieder mit üblichen Einschränkungen)
den Eindruck dass sie nicht mehr von der Welt kennen als das was sie sehen und
ihnen die Bequemlichkeit diktiert. Nicht unbedingt Vor-Aufklärerisch, aber nahe
dran. Von der Globalisierung ist hier auf den Dörfern im Sinne des
interkulturellen Austausches und der intellektuellen Verknüpfung noch nicht
viel angekommen. Dafür sind wir ja jetzt da. Meine Gastmutter hat sich vor
kurzen zum Internet geäußert: Es sei schlecht, voller Gefahren und ihr Sohn
solle sich nicht damit beschäftigen. Natürlich bestände es für den Sohn
hauptsächlich aus Spielen die seinem Altern nicht geeignet sind aber trotzdem
habe ich versucht ihr klar zu machen, dass das Internet genauso viele
Möglichkeiten wie Gefahren bietet. Ich bin mir sicher, dass sie noch nie einen
Computer benutzt hat und habe versucht ihr durch einen Vergleich meine Meinung
dar zu stellen. Eine Spitzhacke ist in den richtigen Händen ein Werkzeug zur
Feldbestellung, dass dann viel Getreide hervorbringt und Menschen ernährt. In
den falschen Händen kann sie aber Menschen verletzen. Sie hat mir dann recht
zögerlich zugestimmt und ich hoffe, dass ihr dieser Vergleich im Kopf bleibt.
Nachvollziehen kann ich diese Misstrauen jedoch auch, sind wir doch die erste
Generation die mit diesen modernen Geräten aufwachsen und selbst unsere Eltern
ihre Probleme damit haben. Ich denke da an meine eigene Mutter die jedes mal
nach einer Computerbenutzung erstmal eine Zen-Therapie bräuchte (Sorry Mama, :)
Bussi).
Ich mache niemanden hier für den Bildungsstand
verantwortlich und urteilen will ich schon garnicht. Ich denke, dass das alles
hier einfach noch ein bisschen Zeit braucht. Und dafür sind wir ja schließlich
hier.
Hier noch ein paar Infos zum Unterricht:
Die Tatsache, dass uns bei der
Unterrichtsvorbereitung und Durchführung wirklich freie Hand gelassen wird lädt
wohl eher zur Schluderei ein, doch habe ich gemerkt dass mir das unterrichten
am meisten Spaß macht wenn ich vorbereitet bin und ein Stundenziel habe. Dies
setzt voraus, dass ich nach eigenem Vorsätzen und Methoden handeln kann, was
meist nicht der Fall ist wenn man zu zweit in einer Klasse unterrichtet. Dies
ist meist in großen oder schwierigen Klassen der Fall, die ungefähr zwei
drittel meines Stundenplans aus macht ( meine größte Klasse hat 42 Schüler,
eine dritte Klasse mit drei „ninos especiales“. Spaß pur...). Die Klassen die
ich allein unterrichte sind hauptsächlich Grundschulklassen, in denen nicht die
Ruhe, Disziplin und der Lernwille herrscht den ich mir Wünsche. Es bleibt also
eine Klasse, meine „Lieblingsklasse“ die ich immer vorbereitet und motiviert
angehe und bei der ich das Gefühl habe, sie lernen einigermaßen etwas und wir
kommen voran. Erfolgsgefühl! In Grundschulklassen kann man wochenlang die
Farben, den Körper oder die Zahlen vorsingen und tanzen und danach wüsste doch
nur die Hälfte nicht was man gemacht hat. Es liegt nicht unbedingt an den
Schülern, sondern auch an mir, aber tatsächlich liegen mir älter Klassen
einfach mehr. Soviel erstmal von mir.
Mittwoch, 15. Oktober 2014
Montag, 6. Oktober 2014
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